Lange Bearbeitungszeiten in der Beihilfe: Nicht drum herum, sondern Tacheles geredet
Ältere Menschen sprechen von Kundenunfreundlichkeit und Unkollegialität
(Euskirchen). Warum müssen wir wie Bittsteller wochenlang auf die Beihilfe warten? Ist die Beihilfezahlung nur noch eine Wohltat? Müssen wir für Personalfehlbestand, Krankenstand und Systemfehler den Kopf hinhalten? Kann man wirklich nicht die Bearbeitungsfehler auf ein erträgliches Maß mindern? Wann wird endlich die telefonische Erreichbarkeit verbessert? Merkt man nicht, dass die neuen E-Mail-Kontakt-Formulare ein Flop sind?
So oder ähnlich ist der Tenor vieler "Wut"-Briefe von älteren Menschen, die fast täglich in großer Zahl im BRH Büro eingehen. Über ähnliche Eingaben merken die Politiker quer durch alle Fraktionen auf, auch der Landtag ist mit Petitionen bezüglich dieser Problematik beschäftigt.
Ein Grund für den Seniorenverband sich einmal beim Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) - eine der größten Behörden in der Finanzverwaltung - in der Düsseldorfer Johannstraße vorzustellen und sich zu informieren. Minister Dr. Norbert Walter Borjans, dem es nach eigenem Bekunden ein Anliegen ist, Benachteiligungen auszuräumen, hatte das Arbeitstreffen vermittelt. Im LBV stellten sich der stellvertretende Behördenleiter Wolfgang Pohl, der stellvertretende Leiter der Abteilung Beihilfe Joachim Koopmann sowie die für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Claudia Wolf den Fragen des Arbeitskreises Beihilfe im BRH NRW.
Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Es kam zu einem umfangreichen Gedankenaustausch in einer angenehmen, sachlichen Atmosphäre, wobei man gemeinsam die Sorgen der älteren Menschen ins Visier nahm und es dem BRH gestattet war, eine Vielzahl von gefühlten Ärgernissen bezüglich der Abwicklung der Beihilfeanträge, der Bearbeitungszeiten und Fehler sowie der Erreichbarkeit in den Fokus der Gesprächsrunde zu stellen.
Dabei gelang es den LBV Vertretern weitgehend, den außerhalb der Behörde gerade bei älteren Menschen entstandenen Eindruck, die Beihilfestelle fordere von den Versorgungsberechtigten Sonderopfer, auszuräumen. Stellvertretender Behördenleiter Pohl ließ Verständnis für die Empörungen erkennen. Tenor: Man sei alles andere als glücklich über lange Bearbeitungszeiten, aber ohne Notwendigkeiten geschehe das keineswegs! Man arbeite ständig daran, die Bearbeitungsdauer nachhaltig zu verringern.
Dem Eindruck, dass aktuell die Bearbeitungszeiten oftmals bei acht Wochen liegen, wurde widersprochen. Die vom LBV selbst festgehaltenen und täglich veröffentlichten Bearbeitungszeiten gehen vom Eingang des Antrages in der Scan-Stelle (Dienststelle Detmold) bis zum Erledigungsvermerk auf dem Arbeitstisch der Sachbearbeitung aus. Aber auch da sprechen die aktuellen Daten in der Homepage des LBV derzeit von vier Wochen, und dies keineswegs als eine Momentaufnahme.
Der BRH ging bei seiner Darstellung von der Antragsstellung beim Beihilfeberechtigten in der Wohnung bis zum Eingang des Geldes aus und kam dann natürlich zu einer weiteren Verlängerung der Arbeitszeit von in der Regel mehr als zwei Wochen.
Trotz allem Ärger würdigten die BRH Vertreter die Bemühungen des LBV, immer wieder an Verbesserungen zu arbeiten. Auch zu dem Thema "Verständlichere Texte". Das wurde jedenfalls wieder versprochen. Dieser Eindruck wurde noch unterstrichen, nachdem sich der AK des Seniorenverbandes bei einer Sachbearbeiterin, Ingrid Grande, vor Ort einen Eindruck über Abwicklung der Arbeitsabläufe verschaffen konnte.
Sie hat mit ihren Kolleginnen und Kollegen einen momentanen Arbeitsvorrat von rund 30.000 Anträgen zu bewältigen. Nicht ohne Grund: Hat man es doch jährlich mit über 1,1 Millionen Anträgen und rund sieben Millionen Belegen zu tun. Von einer Antragsschwemme etwa zum Quartalsende kann man heute nicht mehr sprechen. Im LBV herrscht durchgehend Boom.
Der Frage nach verstärktem Einsatz von Personal begegneten die LBV-Vertreter im Hinblick auf die geringen Möglichkeiten der Personalverstärkung im Öffentlichen Dienst diplomatisch: "Mehr Personal kann nur eine Möglichkeit sein, es gilt aber auch die Abläufe und die Technik zu verbessern usw."
Aktuell: In der Beihilfestelle haben die Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen des mittleren Dienstes monatlich rund 100.000 Beihilfeanträge zu bearbeiten. Zudem gingen im Monat Mai über 35.000 Anrufe ein, davon wurden über 15.000 Anrufe als geführte Gespräche notiert. Zusätzlich waren schriftliche Anfragen zu bearbeiten.
Auch zum Thema "Bearbeitungsfehler" entstand der Eindruck, dass sich der BRH mit seinem Anliegen bei den LBV-Vertretern zu einem ernsthaften Austausch getroffen hatte. Allerdings versicherte das LBV, dass man dazu nicht über Auffälligkeiten berichten könne. Das vorhandene Beschwerdemanagement gebe dazu auch keine andere Darstellung.
Vieles ist wünschenswert, nicht alles umsetzbar. Das wurde deutlich, als Einzelfragen beantwortet wurden. Wenn es schneller gehen soll: Anträge mit hohen Aufwendungen werden stets sofort bearbeitet. Es wird zudem bei stets wiederkehrenden Leistungen mit Vorschüssen gearbeitet und auch Abschlagszahlungen sind möglich.
Keine Möglichkeit der Beschleunigung gibt es durch Vordatieren der Anträge. Auch die häufiger in Rechnung gestellten Verzugskosten durch Ärzte gehören nun mal nicht zum beihilfefähigen Aufwand. Bedauerlich, aber Tatsache: Sie gehen zu Lasten der Beihilfeberechtigten.
Ein wichtiges Thema für den BRH war die Frage, ob der Beihilfeberechtigte auch verpflichtet ist, Fehler zu seinen Gunsten beim LBV anzuzeigen. Das wurde grundsätzlich bejaht. Das gilt auch dann, wenn die Hausapotheke zum Jahresende einen finanziellen Bonus gewährt.
Die Pflicht besteht aber nicht mehr, wenn dem Beihilfeberechtigten zur Beurteilung dieser Frage die allgemeinen rechtlichen Kenntnisse fehlen. Breiten Raum nahm bei diesem Arbeitsgespräch mit Infos aus der täglichen Arbeit des LBV die Frage der Erreichbarkeit ein.
Die LBV Vertreter sprachen von großen Anstrengungen des Landesamtes, die telefonische Erreichbarkeit zu verbessern. Es war von vielen tausend Anrufen im Monat die Rede. Die tägliche Suche nach Verbesserungen etwa durch das so genannte "Telefonrouting" (dass der Anrufer durch entsprechende automatisierte Fragen an einen Sachbearbeiter geleitet wird, der weiterhelfen kann) gehöre zum Tagesgeschäft bei einer Verwaltung, die sich sehr um Bürgernähe bemühe.
Dem Einwand des Seniorenverbandes, bei den neuen E-Mail-Kontaktformularen seien dringend Nachbesserungen notwendig und dies auch hinsichtlich verständlicherer Erklärungen, konnte man nicht ohne Weiteres nachvollziehen, ginge man aber selbstverständlich nach. Bedauert wurde, dass die älteren Menschen von Kundenunfreundlichkeit und Unkollegialität sprechen. Diese Kritik nehme man ebenfalls sehr ernst und zum Anlass, Verbesserungen zu erzielen und für eine noch bessere Kommunikation zu sorgen.
Es wurden weitere zahlreiche Schwerpunktthemen besprochen, so etwa die Problematik der freiwillig bei der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Versicherten. Hier kam man überein, diese Kolleginnen und Kollegen mit einem Handzettel durch den BRH noch einmal verbessert zu informieren.
Am Ende des Gesprächs war man sich einig: Diese Info-Runde soll von Zeit zu Zeit fortgesetzt werden.
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Kommentar von Roswitha Mai-Schleicher |
29.10.2014
Wenn' s nicht so traurig wäre, könnte man drüber lachen ....
Vor mehr als einem Jahr wurde von den Verantwortlichen Besserung gelobt, wie schon so oft.
NICHTS hat sich verbessert, im Gegenteil. Als Pensionärin kann ich ein Lied davon singen. Besonders bei höheren Beträgen hat man den Eindruck, die Zahlung werde absichtlich verzögert. So warte ich aktuell seit fast 2 Monaten auf die Erstattung einer (hohen) Zahnarztrechnung. Es ist einfach skandalös, Staatsbediensteten (und ehemaligen) einen vertraglich zugesicherten Teil ihres Einkommens vorzuenthalten. Wir als Beamte sind gezwungen, die Beihilfe in Anspruch zu nehmen. Dabei ist dieses ganze Beihilfe-UN-wesen überflüssig wie ein Kropf,da die entsprechenden bürokratischen Einrichtungen ganz offensichtlich nicht in der Lage sind (und niemals in der Lage waren), ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.
Mein Vorschlag : Beihilfe abschaffen und statt dessen den bisher Beihilfeberechtigten den entsprechenden Anteil an Krankenversicherung zahlen, wie jeder andere Arbeitgeber auch.
Mit meiner Krankenversicherung hatte ich die oben beschriebenen Probleme noch nie !
Kommentar von Rolf Burckhardt |
Ich bezeichne es als eine Schande, dass bis heute nicht mein Antrag auf Beihilfe bearbeitet worden ist. Immerhin sind 8 Wochen vergangen. Herzliche Grüße Rolf Burckhardt