500 Gefangene landesweit aus dem Vollzug entwichen

 

In zwei Jahren um die 500 Gefangene landesweit aus dem Vollzug entwichen

Minister schätzt im Gespräch mit der Seniorenvertretung BRH die Vorfälle als nicht so besorgniserregend ein

BRH aber mahnt: Ältere Menschen sorgen sich.

Euskirchen. Kein Zweifel: NRW Justizminister Thomas Kutschaty nimmt die Sorgen der älteren Bevölkerung um ihre Sicherheit sehr ernst. Diesen Eindruck gewann der Seniorenverband BRH Euskirchen nach einem Gedankenaustausch zum Thema: In NRW sind in den letzten zwei Jahren um die 500 Gefangene aus dem Vollzug entwichen und eine ansehnliche Zahl nicht wieder aufgegriffen worden!

Dennoch kommt der Justizminister zur Bewertung, dass der Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Sicherheit leistet und dass die Erprobung von Gefangenen im offenen Vollzug mit keinen nennenswerten Sicherheitsrisiken verbunden ist.

Ein Treffen in der Bildungsstätte des DBB in Königswinter nahm die Euskirchener Seniorenvertretung des DBB zum Anlass, den Minister auf die Sorgen der älteren Menschen angesichts der ständigen öffentlichen Diskussion über die Zahl der Entweichungen aus dem nordrhein-westfälischen Strafvollzug hinzuweisen. "Sie können versichert sein, dass die gesetzliche Aufgabe, dass der Strafvollzug auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten dienen soll, neben dem Resozialisierungsauftrag ein besonderes Anliegen ist", so der Minister. Der nordrhein-westfälische Strafvollzug entwickele sich durch verschiedene Maßnahmen ständig fort, um die Risiken für die Bevölkerung, die sich nicht gänzlich ausschließen lassen, möglichst gering zu halten.

Die Sorge der Lobby der Älteren in Euskirchen aber unterstreicht vom Ministerium bestätigte Zahlen deutlich. Im Zeitraum vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2012 wurden von den Leitungen der Justizvollzugsanstalten des Landes NRW 2 Ausbrüche und 457 "sonstige Entweichungen" berichtet. Es ist festzuhalten, dass die sonstigen Entweichungen ganz überwiegend aus dem offenen Vollzug heraus erfolgt sind. Hier sind das "Sichentfernen" während der Außenbeschäftigung unter Aufsicht eines Vollzugsbediensteten und die Entweichungen während einer durch Vollzugsbedienstete durchgeführten Ausführung zu verstehen.

Der BRH teilt den offensichtlich parteiübergreifend herrschenden Konsens, dass die Vollzugsform des offenen Vollzuges mit seiner Öffnung nach außen die besten Voraussetzungen für eine an die Lebensverhältnisse in Freiheit orientierte Vollzugsgestaltung bietet. Es ist der Versuch, dem Gefangenen ein Übungsfeld sozialen Verhaltens zur Verfügung zu stellen, das ihn zur Selbständigkeit und Eigenverantwortung befähigt. Die Gefangenen haben die Möglichkeit, mit den vorgehaltenen Behandlungsangeboten die Grundproblematik ihrer Straffälligkeit zu bearbeiten und individuelle Hilfen anzunehmen.

Der Minister wurde deutlich: "Der offene Vollzug mit über 3500 Gefangenen im Erwachsenenvollzug ist ein tragender Eckpfeiler für eine erfolgreiche Resozialisierung von Strafgefangenen, der aber nur für geeignete Gefangene vorgehalten wird." Und verspricht: "Im offenen Vollzug sind nur solche Gefangene unterzubringen, die als ungefährlich eingeschätzt werden und denen man zutraut, dass sie mit Freiräumen verantwortungsbewusst umgehen können." Eine anerkannte Eignungsprüfung der Gefangenen geht dem voraus.

Der Minister zeigt Verständnis für die Sorgen der älteren Menschen. Schließlich seien die Handlungsweisen eines Menschen nicht uneingeschränkt berechenbar. Auch bei gewissenhaftester Prüfung werde sich nicht ausschließen lassen, dass ein Gefangener, der unter Beachtung der geltenden Vorschriften in den offenen Vollzug verlegt worden ist, den Freiraum missbraucht.

Der Einwand des BRH wird auch bestätigt, wenn man erfährt, dass hinsichtlich der Besorgnis fortwährend weitere verschiedene Maßnahmen zur Reduzierung des Entweichungsrisikos ergriffen werden. Außerdem wolle man die Vorfälle als nicht so besorgniserregend einschätzen, wenn man berücksichtige, dass nur ein geringer Bruchteil aller Entweichungen zu einer Straftat geführt haben.

Die zusätzliche Beobachtung des BRH, dass möglicherweise auch die personellen Unterbesetzungen der Dienststellen ein Grund für die Entweichungen seien und der Frage, ob auch Schritte vorgesehen sind, diese Problematik zu lösen, weicht der Minister mit einem Satz aus. Angesichts der hohen Zahl der im offenen Vollzug Untergebrachten beruhe die Versagerquote nicht auf personeller Unterbesetzung von Dienststellen.

 

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